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Archaeopteryx - Zu schön zum Fliegen

12.08.2014 13:31

Paläontologen der LMU untersuchen detailliert das bislang besterhaltene Federkleid eines
Archaeopteryx. Ihre Ergebnisse zeigen, wie und wofür Federn entstanden sind, und verraten
Entscheidendes über die Entwicklung der Flugfähigkeit.
Archaeopteryx sorgt 150 Millionen Jahre nach seinem Erdendasein für Überraschung. Das elfte
bekannte Fossil des Urvogels hat das bislang besterhaltene Federkleid, was detaillierte Vergleiche mit
anderen Tieren erlaubt. Es wird unter der Leitung von Dr. Oliver Rauhut untersucht, Paläontologe am
Department für Geo- und Umweltwissenschaften der LMU sowie an der Bayerischen Staatssammlung
für Paläontologie und Geologie in München. Über die erste Auswertung des Federkleids berichten die
beteiligten Wissenschaftler aktuell in der Fachzeitschrift Nature. Ihre Ergebnisse sind ein
entscheidender Beitrag zur Debatte um die Evolution der Federn und des Vogelflugs. Sie zeigen, dass
die Entwicklung der Federn und Flugfähigkeit wesentlich komplexer war als bislang gedacht.
„Wir konnten zum ersten Mal die Details der Federn untersuchen, an Körper und Schwanz und vor
allem auch an den Beinen“, sagt Oliver Rauhut. Bei dem Fossil sind die Federn größtenteils als
Abdruck im Gestein enthalten. „Der Vergleich mit anderen gefiederten Raubdinosauriern zeigt, dass
das Federkleid bei diesen Tieren in den verschiedenen Körperregionen sehr unterschiedlich war. Das
deutet darauf hin, dass die Federn nicht zum Fliegen, sondern in anderen funktionellen
Zusammenhängen entstanden sind“, sagt Erstautor Dr. Christian Foth von der LMU und der
Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München.


Schmückendes Federkleid

Das Federkleid diente dem Archaeopteryx vermutlich zur Wärmeisolation. Außerdem nutzten die
fortschrittlichen Raubdinosaurier und frühen Vögel beim schnellen Laufen ihre Armschwingen zum
Halten der Balance, so wie dies heute beim Strauß zu beobachten ist. Und die Federn waren nützlich
bei der Brut, aber auch als Tarnung oder Schmuck. Vor allem die Federn an Schwanz, Flügeln und
Hinterbeinen hatten schmückende Funktion. Fliegen konnte der Urvogel vermutlich auch.
„Interessanterweise waren die seitlichen Schwanzfedern von Archaeopteryx aerodynamisch geformt.
Sie dürften daher auch eine wichtige Rolle bei der Flugfähigkeit gespielt haben“, sagt Foth.
Die Wissenschaftler haben das rekonstruierte Federkleid des Archaeopteryx-Fossils in eine Übersicht
aller bislang bekannten Federformen bei Dinosauriern eingeordnet. Die Vielfalt der Federn ist
beachtlich. Es gab Dinosaurier mit gefiederten Beinen, manche hatten lange Federn bis zu den Zehen,
andere daunenartiges Gefieder. „Wären Federn primär für das Flugvermögen entstanden, dann hätte
das die Variation aus funktionalen Gründen vermutlich eingeschränkt. So sehen wir in den Flügeln
früherer Vögel weniger Variation als in den Hinterbeinen oder am Schwanz“, erklärt Foth.
Vielmehr fand die Entwicklung genau umgekehrt statt: Waren die Federn erst mal da, wurden sie
später zum Fliegen genutzt. „Es kann gut sein, dass das Flugvermögen innerhalb der Raubdinosaurier
mehr als einmal entstanden ist“, sagt Rauhut. „Da die Federn bereits vorhanden waren, konnten die
Raubsaurier und ihre Nachfahren, die Vögel, bei der Entwicklung des Flugvermögens auf diese
Strukturen in unterschiedlicher Form zurückgreifen“. Die Ergebnisse der Forscher widersprechen
zudem der Theorie, dass sich der Vogelflug aus einem vierflügeligen Gleitflug entwickelt hat.

Nationales Kulturgut

Archaeopteryx ist der älteste bekannte Vogel. Er gilt als Übergangsform zwischen Reptilien und Vögeln
und belegt, dass die heutigen Vögel direkte Nachfahren von Raubdinosauriern und somit selber
Dinosaurier sind. In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche gefiederte Dinosaurier in China
gefunden, die nun helfen, Archaeopteryx in seinen evolutiven Kontext zu stellen. Wann und wie oft sich
Federn und Flugvermögen entwickelten, ist umstritten.
Das elfte bekannte Fossil des Archaeopteryx ist noch in Privatbesitz. Es kommt wie alle bislang
bekannten Fossilien des Urvogels aus dem Altmühltal in Bayern, das damals in den nördlichen Tropen
lag und von einem flachen Meer bedeckt war. Das Fossil ist in Kalkstein eingebettet. „Der Sammler war
nicht nur bereit, das Stück der Wissenschaft zu überlassen. Er ließ es auch in das Register nationalen
Kulturguts eintragen, um sicherzustellen, dass es der Wissenschaft erhalten bleibt. Das zeigt
beispielhaft die gute Zusammenarbeit zwischen Privatsammlern und Wissenschaftlern in der
Paläontologie“, sagt Rauhut. Finanzielle Unterstützung bei der Analyse des Fossils erhielten die
Wissenschaftler von der Volkswagen-Stiftung.

(von Luise Dirscherl Stabsstelle Kommunikation und Presse Ludwig-Maximilians-Universität München)

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